Ich bin ja eingefleischter Tatortfan. Jede Woche schaue ich ihn selbst hier auf Kreta in der Mediathek, vollkommen egal, aus welcher Stadt er ist. Und wenn ich ihn nicht live sonntags sehen kann, dann halt in den folgenden Tagen. Das geht soweit, dass ich meinen deutschsprechenden nicht-deutschen Freunden hier auch versuche DIE deutsche Krimiserie nahe zu bringen. Ich liebe es, unsere Städte im Fernsehen zu sehen, die Straßen wieder zu erkennen, durch die ich auch schon einmal gelaufen bin und die sozialkritischen Themen finde ich meist gut getroffen, sie machen den Krimi nicht zu platt. Und als Bayer04 auf seiner Homepage vor gefühlt einem Jahr, wahrscheinlich ist es nicht einmal ein halbes Jahr her, ankündigte, es wird ein Tatort in der BayArena gedreht, dann stand natürlich fest, dass ich diesen dann sehen muss.
(Link zum Artikel) Er sollte eine Woche vor Eröffnung der Frauen-WM ausgestrahlt werden. So weit so gut. Ich muss zugeben, dass ich ihn erst gestern schauen konnte, aber das war ja immer noch rechtzeitig, ehe er aus der Mediathek wieder verschwindet und heute die Frauen-WM eröffnet wird.
Als erstes wunderte mich, dass es kein Kölner, sondern ein Ludwigshafener Tatort war. Ich dachte, der spielt in der BayArena... Hm... Aber wie sich kurz darauf zeigte, musste das so sein, um ausnahmslos alle Klischees bedienen zu können, die irgendwie mit Fußball zu tun haben.
Also wir hätten da den männlichen Kommissar, der als Jugendlicher im Verein Torwart war und über den Unterschied zwischen Inter und AC Milan referiert. Und auch sonst eher eine Stammtischmentalität zum Fußball zeigt.
Wir hätten da die Frau Kommissarin, die anscheinend gar keine Ahnung vom Fußball hatte, die Theorie vertritt, dass das "Runde doch nur ins Eckige" soll, wenn das mal immer so einfach wäre, dabei ein müdes Lächeln für leidenschaftliche Fußballfans aufsetzt und am Ende dann ihrem Kollegen einen Vortrag über die deutschen Nationalspielerinnen hält. (Hat sie nun Ahnung vom und Interesse am Fußball oder nicht??)
Dann gibt es da noch das Opfer. Ohne Opfer kein Tatort. Das ist natürlich eine Spielerin mit Migrationshintergrund, deren türkischer Vater sie trotzdem unterstützt, auch wenn die Mutter Kopftuch trägt und irgendwie eher dagegen ist.
Es gibt einen Verlobten, der von Fußball gar nichts hält und auf diesen und den Verein schimpft und natürlich anfangs als Hauptverdächtiger herhalten muss. Hat das Opfer sich echt mit einem von gefühlten 5% aller deutschen Männer verlobt, die so gar nichts von Fußball halten? Ist das real?
Es gibt die Mitspielerin, die am härtesten von allen trainiert, dabei jedoch nicht annähernd so viel Beachtung wie das Opfer erhält und dabei so zickig und eifersüchtig dargestellt wird, dass sie schon gar kein Täter sein kann. Das wäre ja zu einfach.
Dann gibt es noch die Trainerin, die einmal 1990 für DDR-Frauenmannschaft auflaufen durfte und erzählt, dass Frauenfußball im kommunistischen System der DDR nicht vorgesehen war. Musste die Geschichte auch noch bemüht werden?? Sie ist jedenfalls diese Art Trainerin, die alle Spielerinnen gleich behandelt, keine Stars duldet, mit den Mädels durch dick und dünn geht und sie von der 4. in die 1. Liga geführt hat und dann wird auch direkt der Vergleich zu Ralf Rangnick gezogen. Uff, Hoffenheim ist auch von der Partie...
Uns fehlt jetzt noch der Werbefotograf, der Bilder vom Opfer am Torpfosten macht, während die anderen Spielerinnen trainieren und sie dann zwingt, Dessous anzuziehen und das alles im regnerischen Deutschland, am Rande eines Fußballplatzes. Wie unreal ist das bitte?
Der Manager des Vereins ist natürlich ein geldgeiler Typ, der die Mädels nur ausnutzt und stellvertretend für die ganze Branche von Fußballmanagern, Vorstandsvorsitzender und Sponsorenvertreter steht.
Und zu guter letzt bleibt noch der Platzwart, der sein Leben und seine Familie dem Verein geopfert hat und direkt noch den Fanatismus einiger Fans, gibt es Hools und Ultras im Frauenfußball?, darstellt. Und wie das so ist in schlechten Krimis, ist der Gärtner dann auch der Täter...
Und weil der Tatort nicht auch so schon voll gestopft genug mit Charakteren ist, um die man je einen einzelnen Tatort drehen könnte, kommt jetzt noch Theo Zwanziger ins Spiel, der zusammen mit Steffi Jones und Celia Okoyino da Mbabi zu dem Verein der Verstorbenen fährt, um den Spielerinnen vor Ort sein Beileid zu verkünden. Jögi Löw und Oliver Bierhoff mussten vorher auch noch einmal untergebracht werden, die saßen nämlich mit dieser Delegation an einem Tisch und sie beratschlagten über die Frauen-WM, als alle die Nachricht vom Tod des Opfers ereilte. Was hat Joachim Löw bitte mit der Frauen-WM zu tun? Muss man den Männerfußball wirklich einbeziehen, wenn es ausnahmsweise mal um die Frauen gehen sollte??
Es war einfach alles zu viel, zu viele Brennpunkte, zu viele Themen, die angefasst werden wollten. Die Dialoge blieben vollkommen auf der Strecke, waren platt und oberflächlich und zu klischeehaft, als z.B. die Kommissarin ihren Kollegen darüber belehrt, wer Steffi Jones und Celia Okoyino da Mbabi sind, während er nur Theo Zwanziger erkennt. Natürlich wurde auch noch gezeigt, in welch kleinen Stadien die Frauen in der 1. Bundesliga spielen, wie wenig sie verdienen und kaum davon leben können. Klar, das war alles gut gemeint, man wollte den Deutschen zeigen, wie hart es Frauenfußballerinnen in unserem Land noch haben, obwohl wir noch einer der Vorreiter sind, aber es war einfach alles zu viel des Guten. Zu viele Darsteller, zu wenig Text und dann noch ein selbstverliebter Theo Zwanziger, der hinterher noch stolz erzählt hat, er hätte ja soviel an diesem Tatort mitgewirkt. Er sollte es das nächste Mal wieder den Profis überlassen! So wenig Spaß hat mir noch kein Tatort gemacht!!!
Ahja, und was hat die BayArena damit zu tun? NICHTS! Auf einem Video, dass sich der Vater des Opfers anschaut, sieht man diese zwischen den anderen Nationalspielerinnen in der BayArena stehend die Nationalhymne singend. Die Szene dauert keine 10s und soll nur zeigen, dass das Opfer auch aufstrebende Nationalspielerin war.
Schade Bayer04, das war ja nun keine Werbung für unser Stadion, schade ARD, das war auch keine Werbung für den Tatort und schade DFB, Werbung für den Frauenfußball war das auch nicht!